Unbändige Kreativität in guter Gesellschaft
Der „Chorus sine nomine“ unter Johannes Hiemetsberger stellte im Alten Linzer Dom seine große künstlerische Klasse unter Beweis
Von Michael Wruss
Bei Opern findet man hin und wieder ein so genanntes Pasticcio, also ein Werk, das mehrere Komponisten gemeinsam schrieben. Bei Kirchenmusik ist das eher selten, und doch weist die Missa „Cantantibus organis“, die am Mittwoch beim Konzert des Chorus sine nomine unter Johannes Hiemetsberger im Alten Dom im Rahmen des Brucknerfests zu erleben war, gleich sieben Komponisten auf.
Diese Messe war das inhaltliche Zentrum des Abends, das in einen gelungenen Kontrapunkt zu Mariengesängen gestellt wurde. Nicht nur aus der Zeit der späten Renaissance wie die zentrale Messe, sondern auch aus dem 20. und 21. Jahrhundert.
So war Benjamin Brittens „A Hymn to the Virgin” und “Hymn to St. Cecilia” zu hören, aber auch Ola Gjeilos „Ave Generosa“ und die faszinierende doppelchörige Motette „Cecilia Virgo“ von James MacMillan. Alles beeindruckende Chorwerke, die Johannes Hiemetsberger mit seinem wie immer fabelhaft disponierten Chorus sine nomine fantastisch einstudiert und interpretiert hat.
Da passt ganz selbstverständlich die Intonation bis in die kleinsten Nuancen, da wird jedes Wort, jede Phrase mit Leben und Sinn erfüllt, da wächst die Vielzahl an Stimmen zu einem Klangkörper zusammen, zu einem Kollektiv von Wollenden und Könnenden, die die Musik jenseits ihrer rein technischen Herausforderungen zu einem emotionalen Erlebnis werden lassen. Dazwischen intonierte die aus Kärnten stammende Organistin und Grazer Domkapellmeisterin Melissa Dermastia feine, zu der Renaissance-Messe passende Orgelstücke von Marco Antonio Cavazzoni und Claudio Merulo, zielte mit dem „Offertoire“ aus „La Nef sacrée“ von Céline Chaminade auf das Frauen-Motto des Brucknerfests ab und ehrte mit den „Marianischen Stationen“ den vor 20 Jahren verstorbenen Komponisten und St. Florianer Chorherrn Augustinus Franz Kropfreiter. Subtil registriert und brillant interpretiert, ergänzte sie ebenso gekonnt das fabelhafte Chorprogramm.
Fazit: Ein absolut bereicherndes, von der Länge her etwas ausuferndes Chorkonzert der Extraklasse.