Friday 18 March 2022

Ragnar Kjartansson bringt Naturmystik ins Volkstheater

„Der Klang der Offenbarung des Göttlichen“ – so hypertroph der Titel, so minimalistisch das Konzept hinter dem Erfolgsstück des Universalkünstlers Ragnar Kjartansson, das am Donnerstag im Volkstheater Wienpremiere feierte. Ein nostalgisches, dramenfreies Theater in einer menschenleeren Welt. Vier Naturimpressionen auf der Bühne, die binnen 50 Minuten umspielt werden von kontemplativen Orchesterklängen. Das Kondensat eines theatralen Abends.

Es sind wenig überraschend zwei Isländer – neben dem Theatermacher Kjartansson auch Kjartan Sveinsson, der Keyboarder der legendären Rockgruppe Sigur Rós – die diese musikalisch bewegten Tableaux vivants aus Klischees der deutschen Romantik und isländischer Naturmystik geschaffen haben. Dabei sind die vier Kälteimpressionen nicht ungebrochen gesetzt, sondern rekurrieren nostalgisch auf die Geschichte des Theaters.

Seidenstoffe, die von der Luft geblasen als Wellen erscheinen oder gemalte Kulissen verweisen auf eine Vergangenheit der Institution. Und auch Sveinsson, der den esoterisch-mystischen Rockduktus von Sigur Rós auf großes Orchester umgelegt hat, setzt auf vergessene Instrumentarien wie das Donnerblech oder die Windmaschine. Kurzen Tonfolgen werden in Aufwallungen von den Wiener Symphonikern unter Johannes Hiemetsberger und dem bestens präparierten Chorus sine nomine als menschliche Repräsentanten in dieser eisigen Welt abgesetzt.

Dass Kjartansson als Inspiration für sein ursprünglich an der Berliner Volksbühne uraufgeführtes Werk auf den Ende der 30er-Jahre entstandene Roman „Weltlicht“ des isländischen Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness verweist, ist letztlich nebensächlich. Die kontemplative Dreiviertelstunde wirkt auch so.