Ode fürs Miteinander
Basilika-Konzert. 2500 Besucher erleben in Ottobeuren eine beglückende Aufführung von Beethovens neunter Symphonie. Sie ist auch eine Werbung für den europäischen Gedanken.
Ottobeuren. Nichts liegt näher als beim Schwäbischen Epropatag in Ottobeuren jenes Werk zu spielen, dessen Hauptthema 1985 die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft als Hymne für Europa wählten: Beethovens Symphonie Nr. 9 in d-Moll. Als Abschluss eines Tages mit Rednern aus Politik und Wirtschaft, der auch an die 163 schwäbischen Städtepartnerschaften in ganz Europa erinnern und den Europäischen Gedanken stärken möchte, spielte das Orchester Wiener Akademie und der Chorus sine nomine aus Wien Beethovens Vertonung von Schillers versöhnlicher und völkerverbindender „Ode an die Freude“. Der viersätzige Lobgesang auf die Freundschaft lockte über 2500 Zuhörer in die Basilika.
Dirigent Martin Haselböck, der sein Orchester Wiener Akademie 1985 ins Leben rief, nimmt ein sehr hohes Tempo auf, das er konsequent bis zum Schluss durchhält. Völlig unangestrengt durchwandert er die Kontraste des ersten Satzes zwischen Wucht und Zärtlichkeit. Auch der zweite Satz pulsiert mit Leichtigkeit und Eleganz. Das Vorwärtsdrängende und Fordernde der Musik bleibt stets schlank und luftig. Alles atmet Vorfreude, innere Erregung und Aufbruch. Den dritten Satz gestaltet Haselböck mit seinem Orchester weniger treibend und sehr gefühlvoll. Hier erhebt sich die Musik aus einem gesanglichen Vorwegträumen in feierliche Größe.
Dann schlagen im letzten Satz die Kontrabässe in fantastischem Einklang mit den Celli die Melodie des Hauptthemas »Freude schöner Götterfunken“ immer vollständiger an, bis Schillers Worte selbst erklingen. Sensibel und klanglich dicht bilden Chor und Sänger eine gleichberechtigte Einheit mit dem Orchester. Umwerfend, mit welch großer Deutlichkeit und kraftvoller Fülle der Bass Sebastian Holecek in den weiten Räumen der Barockkirche zur Räson ruft: „O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere.“
Aber auch Laura Aikin (Sopran), Michaela Selinger (Mezzosopran), und Alexander Kahnbacher (Tenor) behaupten sich souverän im durchsichtigen Gesamtklang. Der Chor beglückt mit klarem und reinem Klang.
Nach alter Tradition wurde in der Ottobeurer Basilika kein Applaus gespendet. Die Zuhörer warteten nach der letzten Note in aller Ruhe auf das Erklingen der Kirchenglocken der Kirche. Dieser Moment der Stille hat etwas. Man fühlt, wie alle aufgestaute Begeisterung und Erregung nach der lebendigen und aufgeweckten Interpretation von Beethovens Neunter sich in Besinnlichkeit und Einkehr verwandelt. Der ungestörte Nachklang und die Wirkung von 67 Minuten Musik werden im Zusammenspiel mit den Glocken zu einem erfüllenden und wahrhaft spirituellen Moment.
Große Anerkennung verdiente sich das riesige Ensemble aus Sängern und Instrumentalisten aus Österreichs Hauptstadt fur eine Leistung, die das Aufeinander-Hören und gemeinsame Miteinander hätte nicht besser vor Augen führen können.
Harald Holstein