Sunday 1 March 2015

Mystische Klänge

Vor knapp 25 Jahren von Johannes Hiemetsberger gegründet, zählt die Vereinigung zu den besten Chören Österreichs. Mit der CD „Miserere“ ist ihm nun erneut ein großer Wurf gelungen.

von PETER BLAHA

Ein A-cappella-Chor, dazu ein Saxofon – wer denkt bei solchen Klängen nicht sofort an Jan Gabarek und das Hilliard Ensemble, die mit ihren Alben Officium und Mnemosyne sogar die Charts erobert hatten. Doch Miserere, das jüngste Projekt des famosen Chorus sine nomine (siehe CD des Monats), wurde durch sie nicht inspiriert. „Das wäre sich zeitlich gar nicht ausgegangen“, erzählt dessen Gründer und Leiter Johannes Hiemetsberger. „Das von uns benutzte Arrangement hat Vladimir Ivanoff schon ein paar Jahre vor Jan Gabareks erstem Album für den Zinkenisten seines Ensembles Sarband gemacht. Allerdings lief damals bei der Produktion irgendetwas schief, weshalb sie nie veröffentlicht wurde.“ Im Vorjahr nahm sich der Chorus sine nomine dieses Arrangements an und spielte es gemeinsam mit dem jungen österreichischen Saxofonisten Michael Krenn in der Otto-Wagner-Kirche für das Label Gramola auf CD ein. Warum gerade dort? „Weil das der beste Ort dafür ist. Man muss nichts dazu tun, es funktioniert von selbst.“ Doch erwiesen sich auch andere Säle, in denen der Chorus sine nomine mit diesem Bußpsalm gastierte, als stimmungsvolle Räume. „Man braucht eine Sakralakustik, dann wird es wirklich spannend“, sagt Johannes Hiemetsberger. Eine solche bietet auch die Wiener Karlskirche, wo Miserere am 9. März im Rahmen des Vienna Saxfests live zu hören ist.

Das Miserere des Renaissancekomponisten Gregorio Allegri (1582-1652), dem als Text der 51. Psalm zugrunde liegt, ist ein legendenumwobenes Stück. Jahrhundertelang bildete es einen Teil der Karfreitagsliturgie der Sixtinischen Kapelle in Rom, wo die Partitur wie ein Schatz gehütet wurde. Das Kopieren war unter Androhung der Exkommunikation strengstens verboten. Doch dem 14-jährigen Mozart gelang es auf seiner Italienreise 1770, nach nur einmaligem Hören das neunstimmige Werk aus dem Gedächtnis aufzuschreiben, worauf Papst Clemens XIV. ihn zum Ritter vom Goldenen Sporn schlug. Von der Struktur her eher schlicht, entfaltet Allegris Miserere seine volle, mystische Wirkung erst, wenn die Oberstimme improvisierend verziert und ausgeschmückt wird, was bei Aufführungen von Werken dieser Art über Jahrhunderte hinweg gelebte Praxis war. Auch der Chorus sine nomine, dessen homogener und agiler Klang von großer Sinnlichkeit und Schönheit ist, folgt dieser Tradition, wozu als zusätzliche Farbe noch das Saxofon kommt. Dieses schmiegt sich dem Chor bisweilen an, scheint darin sogar ganz aufzugehen, um sich dann wieder davon zu lösen und eigene Reflexionen anzustellen. „Die Klangspektren von Saxofon und Chor passen sehr gut zusammen“, sagt Johannes Hiemetsberger, „vor allem, wenn man einen so tollen Musiker wie Michael Krenn hat.“

Johannes Hiemetsberger zählt neben Erwin Ortner und Johannes Prinz zu den Stars der heimischen Chorleiter-Szene. „Was die Chormusik anlangt, bin ich ein Spätzünder. Wie jeder Oberösterreicher wurde ich musikalisch über die Blasmusik sozialisiert. Den Grundstein zur Chormusik legte mein Musiklehrer am Gymnasium in Linz, der mich in der 7. Klasse auf einen Chorleiterkurs schickte. Damit nahmen die Dinge ihren Lauf.“ Nach der Matura gründete er mit gleichgesinnten Studenten – er selbst absolvierte die Musikuniversität und das Konservatorium in Wien – einen Chor, der – allen Statistiken hinsichtlich der üblichen Halbwertszeit von „Studentenchören“ zum Trotz – demnächst sein 25-Jahr-Jubiläum feiert. Seinen exzellenten Ruf weit über Österreichs Grenzen hinaus hat er sich auch mit Projekten erworben, die nicht nur das populäre Repertoire bedienen. „Österreich ist im internationalen Vergleich grundsätzlich kein ausgesprochenes Chorland, es gibt ja nicht mal einen Rundfunkchor. Aber: Ich bin froh, dass das Publikum offener wird und dass man nicht immer nur Die Schöpfung machen muss, damit die Leute kommen.“ Johannes Hiemetsberger, der neben dem Chorus sine nomine auch das 16-köpfige Vokalsolistenensemble Company of Music sowie den WebernKammerchor der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien leitet, erinnert sich mit Dankbarkeit an die ersten Jahre im Chorus sine nomine: „Wir hatten und haben zum Glück großartige Wegbereiter, etwa die Jeunesse unter Matthias Naske und Angelika Möser, aber auch Richard Winter von Gramola, der ebenfalls für die Sache brennt. Sie haben schon an uns geglaubt, als das noch ein Wagnis war.“