Musikverein: Kieksen und Frohlocken im Weihnachtsoratorium
Vier der sechs Bach-Kantaten für die Zeit zwischen Geburt Christi und Dreikönig mit Chorus Sine Nomine und dem Orchester Wiener Akademie unter Martin Haselböck im Goldenen Saal: nicht perfekt, aber immer lebendig.
Von Jens F. Laurson
Händels eigentlich für die Osterzeit geschriebenen „Messias“ gibt es in diesen Wochen in Wien genauso wie Bachs Weihnachtsoratorium – oder zumindest die Kantaten I, II, IV und VI daraus, zum ersten Adventsonntag im Musikverein, mit dem Orchester Wiener Akademie. Das klang allemal schön und festlich, nicht zuletzt dank des inspiriert singenden Chorus Sine Nomine. Der wiegte sich nämlich schon im Eröffnungschor – „voll Jauchzen und Fröhlichkeit“ – aus innerem Müssen mit der Musik und sah dabei aus wie ein Feld von Ähren im Wind oder Sonnenblumen in der Brise.
Hier, wie auch in der außerordentlich bewegenden, fein phrasierten Sinfonia des zweiten Teils, halfen die einfühlsamen Tempi, die Martin Haselböck wählte: Nur ein Wink von seinen Händen – und das Orchester spielte auf, weder gehetzt noch zu getragen. Die Holzbläser, allen voran Ausnahmeoboistin Emma Black, die noch inmitten des heiteren Pauken-und-Trompeten-Geschmettere des ersten Teils untergegangen waren, konnten hier unbelästigt entzücken.
In der vierten Kantate (zum Neujahrstage) lieferten freilich die Barockhörner unabsichtlich den Beweis, wie viel schwerer als die Trompeten ihre Instrumente doch zu spielen sind. Man könnte geltend machen, dass eine wirklich historisch-authentische Aufführung auch den Kater der Hornisten zu Bachs Zeiten, nach diversen Kübeln Bier in der Silvesternacht, nachempfinden müsste. Aber es schmerzte doch etwas, wenn es auch dem Gesamteindruck keinen Abbruch tat: Perfekt sind die Aufführungen der Wiener Akademie selten, lebendig immer. Da die Trompeten in der sechsten Kantate (zu Epiphanias) auch nicht mit Perfektion glänzten, war zudem eine interne Balance wieder hergestellt.
Der Altus dominierte die Solisten
Für sich betrachtet war auch das Soloquartett nicht überragend, wenn es auch erfreuliche Momente bot. Hélène Walter setzte ihren nicht sehr großen, aber mit kräftigem Kern und schönem, tiefen Timbre ausgestatteten Sopran sanft zurückhaltend ein, konnte jedoch etwas Schärfe in der Höhe nicht vermeiden. Tenor Benjamin Hulett war am besten im abschließenden Rezitativ („So geht!“), sonst aber nie so sicher wie man sich das wünschte. Wo ist Daniel Johannsen, wenn man ihn braucht? Herrlich, wie Stefan Zenkl sich nach „Liebster Heiland“ zu den Worten „o wie wenig“ zurücknahm, auch wenn sonst einiges genauer und subtiler hätte sein dürfen. Sozusagen der Primus inter impares war somit Altus Alex Potter: Er überzeugte mit jeder Note, sang vor lauter Freude an der Musik unauffällig in allen Chorälen mit und wurde zum Gesicht der freudigen, festlichen Stimmung dieses Adventvormittags. Und das in einem vollen Saal, inklusive vieler zwangsbeglückter Kinder, denen die Erinnerung erst in 20 Jahren so richtig lieb und unvergesslich sein wird.