Leiden, Opfer – und mittendrin Beethovens Freudenthema
Die Melodie aus Beethovens Neunter versteckt sich schon bei Mozart, dessen Idomeneo erinnert an den biblischen Abraham bei einem vergessenen Kollegen, Wolfgang Rihm lauscht fürs Neue in die Vergangenheit: schöne Überraschungen bei der Ouverture spirituelle.
Längst kursiert das „Opfer“ ja als Schimpfwort. Einem Adelstitel kommt es in diesen Tagen hingegen in Salzburg gleich: Da zeigt die Ouverture spirituelle zum Thema „Sacrificium“ mit Musik von Renaissance bis Gegenwart, wie das Opfer im religiösen und auch weltlichen Kontext abgehandelt wurde – ob zur höheren Ehre Gottes, als Klage wider schlimmste Unmenschlichkeit oder im Umgang mit dem eigenen Schicksal.
Wer da zum Beispiel am Samstag einen erheblichen Teil des Tages drei Konzerten geopfert hat, der wurde auf teils erwartete und erhoffte, aber teils auch überraschende Weise beschenkt. Verblüffung machte sich schon am Vormittag in der ersten Mozart-Matinee mit dem Mozarteumorchester Salzburg breit. Die begann nämlich mit Joseph Haydns d-Moll-Symphonie Hob. I:26. Das dreisätzige Werk verdankt seinen Beinamen „Lamentatione“ eingearbeiteten Choralmotiven aus dem Repertoire der Karwoche oder gar einer Passionsspiel-Verwendung. Andrew Manze tränkte sie jedenfalls nicht in meditative Andacht, sondern gab sie holzschnittartig kraftvoll, eher als herb-expressive Darstellung der Gewalt der Leidensgeschichte – oder als Beispiel für Haydns Sturm-und-Drang-Phase. Da ein „unfinal“ klingendes, überhaupt seltsames Menuett an ihrem Ende steht, regte sich im Publikum prompt keine Hand.
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Gut so: Manze schloss Mozarts Offertorium „Misericordias Domini“ KV 222 direkt an – und während man noch schmunzelnd konstatierte, dass nun eine viersätzige Symphonie mit Chorfinale entstanden sei, klang darin glatt das Freudenthema aus Beethovens Neunter an! Nach all dieser kontrapunktischen Strenge mit erhaben-monumentalem Schluss bot das „Ave verum“ KV 618 Labsal – und die erhoffte Aufhellung nach D-Dur.
Immer wieder Joseph Haydn
Im zweiten Teil dann Haydns seinerzeit hochberühmtes, mittlerweile zur Rarität gewordenes „Stabat mater“: groß angelegt, differenziert, abwechslungsreich, vielleicht seine beste „Oper“ im Sinne der Verbindung von Dramatik und Emotion. Zur Eindringlichkeit und Frische des Chorus sine nomine gesellten sich fähige Solisten, allen voran der Tenor Bogdan Volkov: Standing Ovations.
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