Die Zukunft des Barock
HELMUT MAURÓ
Martin Haselböcks elegante Messias-Demonstration
Martin Haselböck ist ein ungemein fleißiger Musiker und ein höchst kompetenter. Seine Erfolge als preisgekrönter Organist in Wien belegten das früh, seine Beliebtheit als Fachmann für historische Aufführungspraxis beweisen es eindrucksvoll. Sein Spektrum reicht von Bach bis Beethoven, von der Barockoper bis zu zeitgenössischen Bühnenstücken wie ‚The Infernal Comedy‘, ‚The Giacomo Variations‘ oder ‚New Angels‘.
Dass man dennoch nie den Eindruck hat, Haselböck verzettele sich im Unterhaltsam-Beliebigen, liegt an seinem Können und Wissen als Musiker. Er weitet die gängigen Genregrenzen, besinnt sich ebenso zielstrebig auf die originale Kunstschöpfung, auf Charakter und Kern eines Werkes, ja einer ganzen Stilepoche. Der Dirigent Haselböck verkörpert gleichsam das dialektische Gewissen der modernen Aufführungspraxis. In Los Angeles sucht er nicht Anschluss an Hollywood, sondern leitet dort ein Alte-Musik-Ensemble. In München versucht er nicht, die üppige Klang-ästhetik der hiesigen Musikliebhaber zu befriedigen, sondern wartet im Prinzregententheater mit einem Händelschen ‚Messias‘ auf, der zunächst ob seiner Kargheit und Strenge verblüfft.
Man bewundert die unerschütterliche Präzision von Chor und Orchester und fragt sich: Wann fängt die große Sause endlich an, die Georg Friedrich Händel da komponiert hat? Die seit ihrer Uraufführung 1742 in immer üppigerer Besetzung noch durchschlagender wirkt als Beethovens Neunte und die Gemüter der Menschheit seit je in Wallung bringt? Haselböck geht einen anderen Weg. Er hat mit dem ‚Chorus sine nomine‚ und dem Orchester ‚Wiener Akademie‘ zwei Spitzenensembles an der Hand, die in der Genauigkeit des Musizierens und Ausbalancierens kaum zu übertreffen sind; genau deshalb sind sie Haselböck zu schade, um sie als schiere Überwältigungsmaschine zu missbrauchen. Ihn interessieren die unterschwelligen Ebenen des Werks, die intimen Keimzellen musikalischer Entwicklung, aus denen heraus sich ein ebenso großes, aber viel feiner ziseliertes Gesamtwerk aufbauen lässt.
Es war dies noch nicht das Ende von Martin Haselböcks Weg zu Händel – das Solistenensemble könnte besser aufeinander abgestimmt sein. Aber es war eine hochelegante Demonstration dessen, wohin die künftige Aufführungspraxis barocker Musik führten könnte, wenn man sie auf so hohem Niveau betreibt.