Bach und Moderne
Heiliges hören
Nicht von dieser Welt: Der Chorus Sine Nomine beschert den Gästen in der Passauer St.-Peter-Kirche ein Erlebnis der Sonderklasse.
„Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich . . .“ Schon bevor sie das Herzstück der Motette „Jesu meine Freude“ von Johann Sebastian Bach singen, haben das Ensemble Chorus Sine Nomine und sein Leiter Johannes Hiemetsberger bereits alles Weltliche vergessen lassen. Zwei fesselnde Stunden lang scheint es bei ihrem Konzert zur Eröffnung des Konzertwinters am Sonntag in der Passauer Pfarrkirche St. Peter kaum Wichtigeres zu geben als das Ton gewordene Hoffen, Trösten und Preisen aus 32 exzellent aufeinander abgestimmten Kehlen.
Der mehrfach ausgezeichnete Chor lässt keinen Zweifel an seiner Professionalität im A-cappella-Fach: himmelhoch treffsichere Soprane, ein feiner, deutlich hervortretender Alt, agile und schön gefärbte Männerstimmen – nach einer kurzen Phase akustischer Verwehung finden sie sich unter der geradezu magnetischen Bündelungskraft Hiemetsbergers in einer Intonationsreinheit zusammen, die dem Zuhörer ein Oberton-Erlebnis der Sonderklasse beschert.
Zur reinen Klangfreude kommt die Freude über das spannende Programm. Den bestens artikulierten Bach-Motetten „Jesu meine Freude“ und „Singet dem Herrn“ stehen zeitgenössische Werke gegenüber, deren Höhepunkte mindestens ebenso staunen machen. György Ligetis „Lux aeterna“: ein hypnotisierendes, 16-stimmiges Flackern und Wallen, das mit einer Stille schließt, die für sich selbst zu singen scheint. John Taveners „Svyati“: ein Zwiegesang von Chor und Solo-Cello und ein in seiner Einfachheit erschütternder Ruf nach Erbarmen. Knut Nystedts „Komm süßer Tod“: ein Umschmeicheln und Zerfließen von vier Teilchören, so empfindlich und zart wie ein noch nasses Aquarell, dessen leuchtendes Ende das Gefühl hinterlässt, gerade etwas Heiliges gehört zu haben. Ein größeres Geschenk können Künstler ihrem Publikum kaum machen.