Bachs h-Moll-Messe in Graz: Ausgewogene Klangbalance
Nach 48 Jahren (!) wagte sich der Musikverein wieder an eines der großen Meisterwerke abendländischer Sakralmusik, an Johann Sebastian Bachs h-Moll-Messe. Mit ihrem L’Orfeo Barockorchester und dem Chorus sine nomine gelang Michi Gaigg eine Darstellung, die historisch informierte Aufführungspraxis mit emotionaler Eindringlichkeit zu schlüssiger Synthese verknüpfte. Im Grazer Stephaniensaal begnügte sich Gaigg mit wesentlich kleineren Besetzungen, als sie hier Nikolaus Harnoncourt bei der „styriarte“ 2000 aufgeboten hatte. Und gewann damit Durchsichtigkeit und perfektes Gleichgewicht zwischen Vokalem und Instrumentalem.
Gaigg legte auf einen flüssigen Duktus großen Wert und entwickelte in den Vivace-Sätzen feurigen Drive. Stets auf die Durchhörbarkeit der polyphonen Strukturen achtend, legte Gaigg doch auf die Linien und den Stimmenverlauf kein größeres Gewicht als auf den Klang. Ihrem L’Orfeo Barockorchester, dessen führende Mitglieder in den Soli brillierten, entlockte sie einen weichen Ton voller Wärme, der nicht minder virtuose Chorus sine nomine glänzte mit eleganter Beweglichkeit. Gleichrangig mit den Instrumentalsolisten fügten sich Siri Karoline Thornhill und Trine Wilsberg Lund mit agilem Sopran, Julie Comparini mit unausgeglichenem Mezzo, der Einspringer Virgil Hartinger mit kernigem Tenor und Markus Volpert mit schlankem Bass in eine Interpretation ein, die Größe und Bekenntnischarakter vermittelte.