Montag, 29. November 2021

Die Wohltaten einer chorischen Fülle

Der Wiener Concentus Musicus und der Chorus Sine Nomine beleuchteten zum Abschluss des Festivals Bachs h-Moll-Messe in der Kathedrale.

Nikolaus Harnoncourt (1929-2016), eine legendäre Figur der historischen Aufführungspraxis, konnte als Leiter seines Concentus Musicus Wien leider nicht beim Bach-Festival in Lausanne auftreten. Doch sein Nachfolger, der Cembalist Stefan Gottfried, kehrt bereits mit dem österreichischen Orchester zurück, nach einer ersten Einladung rund um Kantaten und das „Magnificat“ im Jahr 2018.

Am Freitag, dem 25. November, wurde der Concentus Musicus in der Kathedrale von Lausanne vom Chorus Sine Nomine aus Wien bei Bachs h-Moll-Messe begleitet. Der 40-köpfige Chor beeindruckte von Anfang an mit seiner Sicherheit, Homogenität und Plastizität in einem langen und sehr anspruchsvollen Werk.

Wiederbelebter Klassizismus

In der gedämpften Akustik der Kathedrale, die dazu neigt, die Ecken und Kanten abzurunden, gelang es Stefan Gottfried, starke Kontraste zu schaffen: der Glanz des „Cum Sancto Spiritu“, das explosive „Et resurrexit“ nach einer sehr andächtigen Sequenz um das „Crucifixus“… Der Dirigent war um Lesbarkeit und Flüssigkeit bemüht und achtete auf das Gleichgewicht zwischen Chor und Orchester im Dienste einer wohltuenden Fülle. 

Man konnte die Exzellenz der Instrumentalsolisten schätzen (und dank der Bildschirme auch bewundern), insbesondere die Eloquenz der Flötistin Annie Laflamme, die rohe Ausdruckskraft des Horns von Dániel Pálkövi, das knallende Kommando der Trompeten und Pauken. Der Tenor Daniel Johannsen und die Altistin Marie-Claude Chappuis konzentrieren das Zuhören in Momenten der Introspektion mit klangvollen Pianissimi.

„Man spürt seit Beginn des Festivals, dass das Publikum wieder Lust auf Live-Musik hat!“ Die Begeisterung von Daniel Robellaz, Mitglied der Musikkommission des Festivals, spiegelt die gemeinsame Freude über die Ausgabe 2021 wider, die es verstanden hat, Perfektion und Emotionen zu vereinen. Das Festival hat uns an überragende Versionen der Monumente des deutschen Komponisten gewöhnt. Doch diese Gewohnheit, die uns im letzten Jahr verwehrt blieb, wird von keinerlei Routine begleitet. Homogener und ausgefeilter als die ungezügelte h-Moll-Messe von Leonardo García Alarcón im Jahr 2017, kennzeichnet jene von Stefan Gottfried die Rückkehr eines wiederbelebten Klassizismus.