Dienstag, 18. Oktober 2016

Vereinigung scheinbarer Gegensätze

Chorus sine nomine, Aushängeschild der heimischen Chor-Szene, feiert Jubiläum

von Franz Gratl

Der Chorus sine nomine feiert heuer sein 25-jähriges Bestehen. Gründer und Leiter Johannes Hiemetsberger hat den Chor zu einem Aushängeschild der heimischen Szene geformt. Das in Wien beheimatete Vokalensemble, in dessen Reihen man nicht wenige Tiroler entdecken konnte, feierte sein Jubiläum im Rahmen der Innsbrucker Jeunesse mit einem dramaturgisch exzellent gestalteten Programm, das scheinbare Gegensätze mühelos miteinander verband.

Chorwerke von Johannes Brahms und traditionelle Gospels: Im ersten Moment würde man diese beiden musikalischen „Genres“ wohl nicht miteinander in Verbindung bringen. Dass das funktionieren kann, ja, noch mehr: Dass sich ein schöner musikalischer Bogen ergeben kann, wenn man beides kombiniert, das stellte der Chorus sine nomine unter
Beweis. Die aus Ruanda stammende Sopranistin Marie-Christiane Nishimwe rezitierte und sang gleichermaßen eindringlich, berührte mit ihrer natürlichen Intensität und konnte überzeugend vermitteln, was hinter den zum großen Teil hierzulande durchaus populären Negro Spirituals und Gospels steht: Sie sind der Aufschrei eines unterdrückten Volkes, zugleich Zeugnisse einer tiefen Religiosität.

Ein Aufschrei und eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Religion, zugleich auch das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit der musikalischen Vergangenheit: Das sind die Ingredienzien für die Motetten von Brahms.

Gerade der Ausdrucksgehalt von „Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen“ passt ideal zu den Gospels, berührt immer wieder aufs Neue durch seine expressive Tonsprache: Der Chorus sine nomine meisterte die Herausforderungen der Kompositionen von Brahms durchaus souverän, konnte auf seine besonderen Qualitäten zählen, welche da sind: Perfekte Ensemblekultur, eine reiche dynamische Palette, sensible Gestaltung und höchste Disziplin trotz großer Chorstärke. Die Gospels und Spirituals berührten, eine wunderbare Wirkung entfaltete das Einbeziehen des Raumes, etwa als sich der Chor im abschließenden „Amazing Grace“ im ganzen Kirchenraum ausbreitete.

Ein kleiner Wermutstropfen in diesem besonders berührenden Konzert war der Umstand, dass die gut 50 Chorsänger den Raum der Pradler Pfarrkirche ständig an seine dynamischen Grenzen brachten, dass die Macht des wunderschön homogenen Chorklanges im forte-Bereich eine zu große Lautstärke erreichte. Wie wohltuend waren da die leisen Stellen und die unglaublich sauberen Schlussakkorde!